Gefahrene Strecke: 3´064 Km
Route:
Peru: Paracas - Playa/Laguna Paraíso - Supe - Túcume - Abra Porcuya - Huancabamba - San Antonio de Pajon - Grenze La Balsa - San Ignacio - Jaén - Catarata de Yumbilla - San Pablo/Catarata Gocta - Chachapoyas - Los Organos - Tumbes - Grenze Tumbes
Anfang Januar noch in der Wüste, jetzt im Bergdschungel
Bereits am 1. Januar starten wir unseren Run in Richtung Norden. Bis zur ecuadorianischen Grenze in Tumbes sind es immer noch schlappe 1‘550 Kilometer, die wollen wir zackig hinter uns bringen.
Während der langen Fahrt entdecken wir immer wieder riesige Hallen in der Landschaft. Ist die wüstenhafte Natur sonst zu nichts zu gebrauchen, für die Geflügelzucht taugt sie allemal. Zig Hühnerställe reihen sich wie ellenlange Gewächshäuser aneinander. Gut abgeschirmt vor den Blicken evtl. neugieriger Menschen. Nicht nur einmal begegnen wir auf den Strassen voll gestopften Hühnertransportern, auf denen die armen Viecher zusammengepfercht zum Schlachthof transportiert werden. Jan und ich wissen sehr wohl, warum wir in diesem Land das allseits sehr beliebte und äusserst billige „Pollo a la brasa“ verschmähen.
Vorbei an der Metropole Lima und anderen Städten ist der Müll entlang der Strassen und in der Natur unübersehbar. Je näher man einer „zona urbana“ kommt und je grösser diese ist, umso mehr Unrat häuft sich. Am Schlimmsten ist für uns in dieser Hinsicht die Durchquerung der Stadt Chiclayo. Wir sind sprachlos und lassen die Bilder sprechen…
Bisher haben wir kein Land kennen gelernt, in dem so viel gehupt wird wie in Peru. Es wird immer gehupt: zum Grüssen, vor jeder Kreuzung, als Warnung, beim Überholen, an der Ampel,… Taxis hupen sobald sie einen Fussgänger sehen - er könnte ja ein Taxi brauchen und Busse hupen um Passagiere anzulocken. Hab ich sonst immer geschimpft wenn Jan unser lautes Horn blasen lies, hat er jetzt mein vollstes Einverständnis.
Ein gar nicht schönes, aber doch sehr interessantes Erlebnis haben wir mit der Strassenpolizei. Jan überholt an einer Bodenschwelle einen klapprigen LKW und nimmt die durchgezogene Doppellinie nicht ganz ernst. Prompt steht hier ein Polizist und läuft auf uns zu, ohne jedoch irgendein Haltezeichen zu geben. Wir rollen also weiter. Im Rückspiegel entdeckt Jan wie der Polizist sich sputet sein Motorrad zu besteigen um uns zu folgen. Da haben wir wohl etwas falsch gedeutet und bremsen rasch unseren Indi.
Mit grimmigen Blick kommt der Polizist ans Fahrerfenster und verlangt eine Buße in Höhe von 1‘600 Peruanische Nuevo Sol, was umgerechnet etwa 375 € entspricht. Für was? Na zum einen wegen „Missachtung der Doppellinie“ und zum anderen wegen „Nichtbefolgung polizeilicher Anweisung“. Jan fragt „Wo steht das?“ und der Polizist hält ihm sein Gesetzesbüchlein unter die Nase, in dem zwei Artikel markiert und die Seiten sehr abgegriffen sind. Allerdings kosten diese beiden Vergehen zusammengerechnet nur 800 Soles. Wir versuchen den Mann in seiner Euphorie zu bremsen und erklären, dass seine Körpersprache uns in keinster Weise ein „Halt“ signalisiert hat und wir zeigen ihm synchron wie man ein eindeutiges „Stopp“ in Europa deutet ✋. Der Polizist schwenkt ein, nennt uns zwei Verstösse aus seinem Bußgeldkatalog die billiger sind und nur 400 Soles kosten. Wir sollen wenigstens das bezahlen. Die Schuld muss persönlich in einer Bank auf ein offizielles Konto eingezahlt werden. Das auch noch… wir diskutieren weiter. Das Bußgeld wird nun billiger, der Polizist verlangt nur noch 200 Soles. Nach weiterem hartnäckigen Wortwechsel macht er es uns ganz preiswert und will nur noch 180 Soles für „Falschparken“ (was in etwa 42 € entspricht). Jan fragt ob er denn kein günstigeres Vergehen in seinem Strafbuch finden kann. Der Uniformierte verneint.
Wir wissen nicht genau wie es plötzlich dazu kommt, aber genau jetzt fährt ein schimpfender LKW-Fahrer an uns vorbei der den Polizisten beschwört, er solle sich gefälligst um die Autofahrer kümmern die ihn bei durchgezogener Doppellinie überholen. Ein zweiter Brummi-Fahrer macht‘s genau so. Abrupt zerreisst der Polizist unseren Strafzettel und gibt uns brüsk zu verstehen sofort weiter zu fahren. Das machen wir gerne und so rollen wir weiter unseres Weges in Richtung Norden ohne auch nur einen Pfennig bezahlt zu haben.
Es gibt aber auch schöne Impressionen auf der langen Strecke:
Nachdem die Landesgrenze zwischen Peru und Ecuador nun doch nicht am 4. Januar aufgemacht hat, treten wir nach 1‘050 gemachten Kilometern auf die Bremse und besuchen die Stadt Túcume und das dortige historische Museum. Wieder mal ein bisschen peruanische Kultur kann ja nicht schaden.
Die Pyramiden von Túcume sind keine Pyramiden im eigentlichen Sinne, es handelt sich hier viel mehr um Tempelberge, die aus ungebrannten Lehmziegeln erbaut wurden. Archäologen schätzen, dass die Pyramiden um 1100 n.C. gebaut und für religiöse Rituale genutzt wurden. Insgesamt befinden sich im ganzen Gebiet etwa 260 Stück. Die höchste der Pyramiden misst 30 Meter und die grösste hat einen Grundriss von beeindruckenden 700 x 280 Meter. Die letztgenannte gehört somit zu den größten Pyramiden der Welt.
Die Region um Túcume wird landschaftlich vom Reisanbau bestimmt. Wusstest Du, dass pro Hektar im Durchschnitt 3-6 Tonnen Reis geernet wird? Ich habe gelesen in manchen Ländern (Australien, Ägypten) ernten die Reisbauern sogar 10-12 Tonnen pro Hektar. Rein rechnerisch ergibt das auf einen Quadratmeter Anbaufläche erstaunliche 1,2 Kilo Reiskörner. Das hätte ich nicht gedacht.
Aktuell ist Pflanzzeit und deshalb sieht man fleissige Arbeiter und teilweise ganze Familien knöcheltief im Wasser stehen um die Setzlinge auf den grossen Feldern zu platzieren. Wo es stehendes Wasser gibt sind Stechmücken (die Peruaner sagen „zancudos“) nicht weit. Sowohl Kriebelmücken als auch Moskitos machen uns speziell bei Sonnenuntergang schwer zu schaffen. Kleidung mit langen Ärmeln und Hosenbeinen sind dann trotz Hitze Pflicht. Aber dennoch, auf dem schattigen Parkplatz beim Museo Túcume fühlen wir uns recht wohl und somit feiern wir hier am 5. Januar ganz gemütlich unseren 7. Hochzeitstag
Unsere zweite Corona-Impfung ist bereits 5 Monate her und der Ruf nach einer Booster-Impfung wird lauter. Tatsächlich bekommen wir in Túcume die Möglichkeit für die Pfizer-Spritze. Diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen und halten artig unseren linken Oberarm hin.
Da es uns im Tiefland zu heiss ist, fahren wir in die Berge. Auf Höhen von rund 2‘000 Metern sind die Temperaturverhältnisse gleich viel angenehmer und die Nächte schön kühl. Auf dem Andenkamm stösst das Pazifik-Klima mit dem des Amazonas zusammen und das kann zu extremen Wetterwechseln führen. Uns erwischt ein gewaltiger Nebelsturm mit abgestürzten Temperaturen von nur noch 6 Grad. Auf der Fahrt von einem Tal in ein anderes, wechselt die Landschaft plötzlich. War sie gerade noch Dschungel-mässig feucht und saftig grün, ist sie ein Höhenzug weiter trocken und baumlos. Diese Mikro-Klimate wechseln sich in den Bergen im Norden Perus ständig ab.
Dies passiert auch mit den Strassenverhältnissen. Auf unserem Weg entlang der Ecuadorianischen Grenze ist der Weg in einem hervorragenden Zustand. Er scheint neu gemacht worden zu sein und so stellen wir uns auf eine gemütliche Fahrt in Richtung Osten ein. Aber falsch gedacht. Der Strassenbau ist noch im vollen Gange und nachdem wir die aktuelle Baustelle passieren, merken wir erst was es heisst, wenn es in den Peruanischen Bergen geregnet hat. Drecklawinen und Felsstürze verschütten die Route. Die Strecke wird schlammig und die Fahrrillen füllen sich mit Wasser. Wir rufen uns den Satz ins Gedächtnis, den uns Onkel Franz (ehem. Missionar in Kenia) eingebläut hat: „Nicht entmutigen lassen!“ Ausserdem fährt uns ein Toyota Hilux voraus. Wenn der da durchkommt, dann schaffen wir das auch. Aber die Strassenverhältnisse werden immer verheerender. Uns macht nicht nur der Morast zu schaffen, wir kämpfen auch mit der Spurbreite des Pfades. Vor einer unheimlich engen Stelle hält Jan an. Wenn links der bereits vom vielen Wasser ramponierte Boden nachgibt, werden wir abstürzen. Wir atmen tief ein und aus. Das Adrenalin lässt unser Herz pochen. Mit einem beherzten „Nicht entmutigen lassen!“ und „Der Hilux ist da auch durchgefahren“ gibt Jan Gas. Während ich noch sag „Fahr so schnell wie möglich drüber!“ fängt Jan schon an zu fluchen. Im Rückspiegel sieht er wie der lose Matsch unter dem linken Hinterrad in die Tiefe stürzt. Werden wir davonkommen? Jan drückt aufs Pedal, nichts wie weg hier. Erst in sicherer Entfernung wagen wir zu stoppen. Was war das gerade? Haben wir es übertrieben? Haben wir zwei starke Schutzengel? Warum fahren wir überhaupt auf dieser Scheiss-Piste? Aber jetzt stecken wir mittendrin und die Bergbewohner versprechen uns „nicht mehr weit, dann wird die Strecke besser“. Wir vertrauen auf die Aussagen und fahren hoffnungsvoll weiter. Dieses „nicht mehr weit“ bringt uns noch zwei-drei weitere bedrohliche Situationen, aber das „dann wird die Strecke besser“ stimmt Gott sei Dank.
Auf einer Passage von etwa 12 Kilometer entlang steilster Berghänge haben wir extrem gelitten und mussten starke Nerven zeigen. Aber jetzt geht der Holperweg weiter, als hätte es in den letzten Tagen keinen Tropfen geregnet. Wo wir wieder beim Thema Mikroklima wären.
Im Gegensatz zum Tiefland und entlang des Meeres, empfinden wir es hier in den Bergen als extrem sauber. Wir sehen kaum Abfall in der Natur und wissen nun, in Peru gibt es offensichtlich auch vernünftige Menschen.
Die Peruaner leben in dieser Gegend hauptsächlich von der Landwirtschaft. Allerorts entdecken wir Plantagen mit Kaffee, Kakao, Zuckerrohr, Mais und Bananen. Die Böden werden mühsam von Hand oder mit Ochsengespannen bearbeitet. Als Lasttiere dienen Esel, denn nur die wenigsten Familien können sich zum Transport ihrer Waren ein eigenes Fahrzeug leisten. Neben dem Anbau verschiedener Nutzpflanzen hat jedes Haus seinen eigenen Tierpark. Hühner und Puten, Ziegen und Schafe, Schweine und Mulis sind die häufigsten Tiere, die es neben Hunden und Katzen auf dem Land gibt.
Da wir mit einer Kaffeemühle ausgerüstet sind und täglich frisch gemahlenen Kaffee bevorzugen, fragen wir Einheimische eines Bergdorfes, ob wir frisch geröstete Bohnen kaufen können. Ja, sehr gerne. Wir bestellen 2 Kilo und Jan gibt den Auftrag die Bohnen extra stark zu rösten. Am nächsten Tag bringt uns ein junger Mann 3 Tüten mit noch warmen und unübersehbar schwarz gerösteten Kaffeebohnen. Der Auftrag wurde also ausgeführt. Von den 2 Kilo sind letztendlich noch 1,4 kg Trockengewicht übrig geblieben. Dafür bezahlen wir günstige 30 Sol (ca. 7 €). Und was sollen wir sagen, schon seit Ewigkeiten hatten wir keinen so feinen Kaffee mehr. Mit unseren italienischen Kaffeebereitern schmecken die Bohnen sowohl zum Frühstück, als auch als starker Espresso nach der Abendmahlzeit. Der Kauf hat sich voll und ganz gelohnt.
Nachdem wir in der Stadt Jaén einige Besorgungen erledigt haben, planen wir den Besuch des dritt-höchsten Wasserfalls der Welt. Offiziell ist dies mit 771 Meter Fallhöhe der imposante Catarata Gocta. Aber inoffiziell ist der nah gelegene unbekannte Catarata de Yumbilla mit ganzen 870 Meter doch noch ein Stückchen höher. Wir halten uns aus dem Streit raus und geniessen mit zwei herrlichen Wanderungen beide Wasserfälle.
Den Abschluss unserer Runde durch die Berge bildet die hübsche Stadt Chachapoyas. Die Hauptstadt der Region Amazonas auf rund 2’500 Meter Höhe, ist DER Ausgangspunkt für die Erkundung der vielen historischen Stätten vergangener Kulturen in dieser Region. Bereits 2016 haben wir die Mausoleen von Revash, die Festungsanlage Kuelap und vieles mehr besucht. Der bisher unbekannte Norden Perus ist gar nicht mehr so unbekannt und wird immer mehr und erfolgreicher touristisch erschlossen. Wir behaupten: „Chachapoyas ist das Cusco von morgen“.
Hier wird der Catarata Yumbilla und andere Wasserfälle erklärt. Der Yumbilla fällt in 3 Stufen.
Man beachte: Eine Ausreise aus Peru über die Landesgrenze ist nur mit Genehmigung der Peruaner möglich. Für die Einreise nach Ecuador über die Landesgrenze bedarf es ebenfalls einer Genehmigung. Um diese beiden Bewilligungen zu erhalten bedarf es der Hilfe der landeseigenen Botschaft.
Erwähnen möchten wir: Die Ein- und Ausreise für Touristen über den Luftweg ist ohne Probleme möglich.
Das bedeutet für uns: Dieser Prozess hat in keinster Weise mehr etwas mit dem Thema „Corona-Risikominimierung“ zu tun, sondern ist eine rein politisch und/oder wirtschaftlich getriebene Sache.
Wie dieser Fall weitergeht, werden wir erst im Monat Februar erfahren.
… verbringen wir am Strand. Genauer gesagt 15 Kilometer südwestlich der Stadt nahe dem Ort Caleta Cruz. Landschaftlich können wir uns nicht beklagen: Rauschendes Meer am mit Palmen gesäumten, kilometerlangem Sandstrand. Wettertechnisch ist es allerdings für uns eine kleine Herausforderung: es gibt keinen Schatten für unseren Indi und das Klima ist feucht-heiss. Das heisst die Nächte verbringen wir wie im Backofen und die Feuchtigkeit lässt den Schweiß aus unseren Poren treiben. Auch das ein oder andere Moskito kann einem schon mal den Schlaf rauben.
Wir sind hier nicht alleine. Der Brite Roger und sein Bruder, der Neuseeländer Dave (https://m.facebook.com/tristinanddave/) wollen mit ihren Motorrädern ebenfalls nach Ecuador ausreisen und warten wie wir, auf die Unterstützung ihrer Botschaften. Geteiltes Leid ist halbes Leid und so geben wir uns gegenseitig die nötige moralische Unterstützung, die bitter nötig ist.
mbo
Wir hoffen auf eine schnelle Ein- und Durchreise von Ecuador um zügig unser Ziel Kolumbien zu erreichen.
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